DIE ZUNFT / CHRONIK
Die älteste belegte Fasnacht in Haigerloch …
Die älteste belegte Fastnacht in Haigerloch geht auf die Zeit
zurück, in der Gräfin Mechthild die vorderösterreichische
Grafschaft Hohenberg regierte, zu der u.a. Rottenburg und
auch Haigerloch gehörte. Gräfin Mechthild galt als sehr
musisch und interessiert und auch lebenslustig. Unter ihr
entwickelte sich in Rottenburg eine höfische Fastnacht und
in Haigerloch wurde 1457 das sogenannte Haigerlocher
Stadtbüchle mit einer Aufzeichnung des Stadtrechts
verfasst, indem sich auch der erste Hinweis über
Fasnachtsbrauchtum in Haigerloch findet.
Regelmäßige Fasnachtsumzüge lassen sich in Haigerloch
bis in das Jahr 1606 nachweisen. Der Brauch der
Fasnetsküchle als herrschaftliche oder kirchliche Gabe ist
seit 1652 belegt und die "Unsitte" des Fasnachtsbegrabens
ab 1778 beschrieben. Im 18.Jahrhundert erlebte die
Fasnacht in Haigerloch unter der Residenz von Fürst
Joseph Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen seine
Blütezeit. Aus diesem Jahrhundert sind auch
Überlieferungen zu Streitigkeiten mit der katholischen
Kirche über Fasnachtsbegrabungen zu finden und es gibt
auch Berichte über ein Maskenverbot von 1784.
Der Beginn einer organisierten Fasnacht in Haigerloch ist
wohl auf das Jahr 1885 zu datieren, als in den
Hohenzollerischen Blättern zum erstenmal von einem
Narrenvorstand zu lesen ist, unter dessen bewährter
Leitung am Fasnachtsdienstag eine „Bauernhochzeit“ zur
Aufführung gelangte. Auch im darauffolgenden Jahr wurde
eine „Narrenkommission“ gewählt, die die Fasnacht
gestalten sollte. Dieses „Narrenkommitee Haigerloch“ tritt
dann bis Ende des 19.Jahrhunderts immer wieder in
Erscheinung.
Praktisch in der Nachfolge dieses Narrenkomitees gründete
sich am 5.2.1906 im „Scharfen Eck“ ein „Carneval-Verein
Haigerloch“, der sogleich über 100 Mitglieder zählte und aus
dem später die Narrenzunft Haigerloch werden sollte. Zur
damaligen Zeit war der Einfluss des Karnevals auch in
anderen Narrenorten sehr stark, sodass die Namenswahl
nicht außergewöhnlich ist. Der Carneval-Verein war ein
sogenannter wilder Verein ohne fester Statuten. Die
Finanzierung der Veranstaltungen wurde durch jährliche
Beitragssammlungen ermöglicht. Neben Maskenzügen und
Aufführungen wurden insbesondere Familienabende und
Maskenredouten durchgeführt sowie Narrenzeitungen
herausgegeben.
Nachdem die Fasnacht während des Ersten Weltkriegs
ruhte, wurden in den Folgejahren regelmäßig
Polizeiverordnungen erlassen, die Verbote für
Fasnachtsveranstaltungen im Freien sowie für das Tragen
von Masken und Verkleidungen enthielten. Diese
erschwerten es der Fasnacht, wieder in Tritt zu kommen.
Allerdings konnte für das traditionelle Bräuteln im Jahre
1924 bei den Behörden eine Ausnahmegenehmigung
erreicht werden.
1925 wurde dann schließlich der eingeschlummerte Carneval-
Verein wieder aktiviert, doch hatte dieser auch in den nächsten
Jahren weiter gegen behördliche Verbote anzukämpfen, um
wenigstens die traditionellen Fasnachtsmontags-Veranstaltungen
unter freiem Himmel abhalten zu können. Bereits 1927 stellte der
damalige Vorstand des Carneval-Vereins zusammen mit dem
Bürgermeister den Antrag in die drei Jahre zuvor gegründete
Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte
aufgenommen zu werden. Die Aufnahme erfolgte in der
Hauptversammlung der Vereinigung am 30.11.1930 in Oberndorf
und der Verein benannte sich in „Narrenzunft Haigerloch“ um.
In den 30er Jahren kochte die Fasnacht aus
gesamtwirtschaftlichen Gründen auf Sparflamme und kam dann
nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung eines provisorischen
Elferrats 1948 langsam wieder in Gang. Dabei war die Teilnahme
am Narrentreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer
Narrenzünfte 1952 in Rottenburg mit Elferrat, 31 Bräutelbuben, 5
Fledermäusen und 7 Butzen sicherlich ein Höhepunkt. Um diese
Zeit wurde damit begonnen, die vorhandenen Butzen um weitere
Masken und Narrenkleider zu vermehren. Ein Teil der damals von
dem Haigerlocher Max Kaiser geschnitzten Masken wird heute
noch getragen.
Eine neue Ära wurde dann im Jahr 1962 eingeleitet. Bis zu dieser
Zeit wurde jedes Jahr der Vorstand neu gewählt; Mitglied wurde,
wer sich im jeweiligen Jahr in die Zeichnungsliste eintrug und einen
Mitgliedsbeitrag entrichtete. Am 20.1.1962 wurde dieser „wilde
Verein“ in einen eingetragenen Verein (e.V.) mit festen Statuten
umgewandelt, der auf Anhieb 166 Mitglieder zählte.
Erfolgreich wurden 1965, 1973, 1981, 1995, 2006 und 2017 die
Narrentreffen der Fasnetslandschaft Neckar-Alb ausgerichtet, die
jeweils Tausende von Teilnehmern nach Haigerloch brachten.
Große Enttäuschung herrschte hingegen, als wegen des Golfkriegs
1991 das Narrentreffen unmittelbar vor Beginn abgesagt werden
musste. Doch zahlreiche Spenden halfen, ein finanzielles Debakel
für die Zunft zu verhindern.
Die Narrenzunft Haigerloch ist heute mit rund 300 Mitgliedern einer
der größten Vereine der Stadt. Sie sieht ihre Hauptaufgabe in der
Organisation der Haigerlocher Fasnet unter besonderer
Berücksichtigung der historischen Bräuche sowie der Erhaltung und
Pflege des überlieferten Masken- und Häsbrauchtums. Daneben
nimmt die Zunft an auswärtigen Narrentreffen teil, um dort das
Haigerlocher Fasnachtsbrauchtum zu präsentieren.
Geführt wird die Zunft von einem alle zwei Jahre von der
Hauptversammlung gewählten Narrenrat, der in der Regel 12 bis 13
Narrenräte umfasst und an dessen Spitze das Vorstandsgremium
(Vorstand mit drei gleich berechtigten Vorsitzenden) steht.
Haigerlocher Narrenfiguren
Ein hohes Alter besitzen die Haigerlocher Fasnetsmasken
"Bischöfle" und "Rottweiler". Sie stammen aus dem 18.
Jahrhundert und zählen damit zu den ältesten
vorhandenen Masken der schwäbisch-alemannischen
Fasnet.
Beim Stadtbutz, beim Bischöfle und beim alten Rottweiler
existieren noch Exemplare in Privatbesitz, deren
Holzlarven wohl aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und
deren Narrenkleider vom Ende des 18. oder vom Anfang
des 19.Jahrhunderts stammen.
Die Masken sind vermutlich in der Werkstatt der Rottweiler
Dominikaner entstanden und durch verwandtschaftliche
Beziehungen nach Haigerloch gelangt. Um 1760 malte
gerade der Haigerlocher Maler Franz-Josef Marmon die
Altäre der Rottweiler Dominikanerkirche, während
gleichzeitig sein aus Haigerloch stammender Vetter, der
"Rotochsen"-Wirt Franz-Xaver Marmon in Rottweil
Narrenzunftmeister war.
Das Bischöfle wurde möglicherweise gar nicht für das
Tragen an der Fasnacht geschaffen, sondern für den alten
Brauch des Kinderbischofs, der am Tage der unschuldigen
Kinder am 28.12. ausgeübt wurde. Andererseits soll zur
damaligen Zeit zur Fasnachtsbelustigung ein
Berufskollege des Malers Franz-Josef Marmon als
"Bischof" durch Rottweils Wirtshäuser gezogen sein und
der närrischen Gemeinde "Firmung" erteilt haben.
Die Masken des "Bischöfle" und des "Rottweiler" gehören
zum spätbarocken Typus der geschlechtslosen Glattlarven, wobei
die Züge des "Rottweiler" jedoch durch Grübchen und Falten weit
ausdrucksvoller gestaltet sind. Beide unterscheiden sich praktisch
nur durch die Maske. Das Häs aus ungebleichtem Leinen ist mit
hochkantstehenden bunten, rautenförmigen Fleckle besetzt. Eine
Besonderheit im schwäbisch-alemannischen Raum stellt zudem
das Rokoko-Hütchen mit hinten aufgeschlagenem Rand dar.
Ausgerüstet sind beide mit Rätschen, Saublodern, Federwischen
oder Karbatschen, den kurzstieligen, bis zu 4 m langen
Fasnetspeitschen, deren Schnellen besondere Übung und
Geschick erfordert.
Die Herkunft des Sammelbegriffs "Grombiradrucker" für beide
Maskengestalten ist nicht mehr feststellbar. Nachdem früher
jedoch jeder Butz eine eigene Bezeichnung hatte, liegt die
Vermutung nahe, dass die Bezeichnung für eine Einzelmaske
schließlich zum Sammelbegriff wurde.
Der „Stadtbutz“
Der „Stadtbutz“ ist eine Einzelfigur und hat unter den
Haigerlocher Maskenfiguren eine ordnende Funktion. Er
führt mit seinem Reisigbesen den Umzug an, wie
andernorts der „Narrenpolizei“ für eine ordnende Funktion
bestimmt ist. Der „Stadtbutz“ gehört mit seinen
schmalgeschnittenen und auffallend dunklen Fransen zur
Gattung der Blätzle- und Spättlegewänder und ähnelt den
Hansele von Engen und Überlingen und dem des Fossli
von Siebnen. Seine Maske hat große Ähnlichkeit mit dem
„alten Rottweiler“.
Weißnarren
Die beiden Weißnarren „Remple“ und „Uhrafiedla“ sind
Einzelfiguren und werden dem 19. Jahrhundert
zugeordnet, sie wurden 1976 nach einer alten Fotografie
neu gestaltet, die vermutlich aus den 1920er Jahren
stammt.
Bei beiden Masken handelt es sich auch um Glattlarven,
einmal um ein grinsendes ,,Vollmondgesicht“ und dann um
eine bärtige Maske. Auffällig sind der geschnitzte Bart und
in die Stirn hineinragender Haarschopf, was in der
schwäbisch-alemannischen Vereinigung wohl nur noch
selten zu finden ist. Die beiden einzigen „Weißnarren“ der
Narrenzunft Haigerloch tragen Leinengewänder, die mit
Motiven bemalt sind und auf der Vorderseite Symbole
tragen, die in der schwäbisch-alemannischen Fasnet oft
zu finden sind: Fuchs (Schlauheit), Hase (Schnelligkeit),
Löwe (Macht) und Bär (Stärke). Auf der Rückseite des
Kittels ist eine historische Abbildung Haigerlochs mit dem
Römerturm aufgemalt, auf den hinteren Hosenbeinen ist
ein früheres Trachtenpaar aus dem Haigerlocher Raum
dargestellt.
Fledermaus
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Die Fledermaus ist eine weibliche Fasnachtsfigur und
trägt einen schwarzen knöchellangen Rock, ein langes
weißes Leinenhemd mit zwei farbigen Borten, ein graues,
unten geschwungenes Cape sowie auf dem Kopf einen
Schleier aus weißem Vorhangstoff, dessen Zipfel oben mit
bunten Bändern zu Ohren abgebunden sind. Das Gesicht
der Fledermaus wird durch eine weiße Stofflarve verhüllt,
sie trägt dazu einen weißen Biedermeierschirm mit bunten
Bändern.
Dominos
Nur beim „Auswerfen“ am „Auseliga Dauschtig“ treten die
6 bis 8 „Dominos“ in Erscheinung und befreien die
Haigerlocher Schüler. Die Figur des Dominos hat
italienische Wurzeln und ähnelt dem Bajazzo oder
Harlekin.
Die Dominos tragen ein kuttenartiges Gewand mit Kapuze
und Stofflarve und belohnen die Kinder, welche die
Haigerlocher Fasnetssprüche rufen mit Brezeln, die sie auf
einem Spazierstock aufgereiht tragen, oder mit Orangen
und Süßigkeiten, die sie aus ihrem umhängenden Sack
auswerfen.
Bräutelgesellschaft
Die Bräutelgesellschaft setzt sich aus ledigen jungen Haigerlocher Männern ab 16 Jahren zusammen. Die
Hauptaufgabe der Bräutelgesellschaft beruht aus dem seit 1860 nachgewiesenen Brauch des Bräutelns, das nur alle 4
Jahre auf dem Marktplatz in Haigerloch stattfindet (siehe „Bräuteln“).
In der Bräutelgesellschaft tragen die Bräutelbuben schwarze Kniebundhosen mit schwarzen, kunstvoll bestickten
Hosenträgern, dazu ein weißes Hemd mit roter Schleife sowie ein schwarzes Hauskäppchen mit rotem Dach.
Ein besonderes Häs tragen der „Ratschreiber“ mit schwarzem Gehrock und schwarzem Dreispitz. Seine Aufgabe ist es,
die Bräutelgesellschaft als Untergruppe in der Narrenzunft Haigerloch zu repräsentieren.
Der „Polizei“ mit blau-rot-weißer Uniform übernimmt – ähnlich wie der Stadtbutz – die ordnende Funktion in der
Bräutelgesellschaft und ist federführend dabei, die Bräutlinge auszuwählen.
Der Clown mit seinem einteiligen rot-weißen Anzug und Spitzhut trägt eine schwere Metallbüchse an einer Kette um
seinen Körper und erfüllt somit praktisch die Funktion des Kassiers.